Und vielleicht erinnern Sie sich auch, wie Eigruber, der fuer das Gebiet Linz zustaendige Nazifunktionaer, den Befehl gab, dass Bomben in den Bergwerken gelegt und vor dem Eintreten der Alliierten ausgeloest werden sollten; wie die Bergleute (und spaeter noch viele anderen) sich damit ruehmten, dass sie diesen Plan sabotiert und damit die Kunst gerettet hatten; wie unter den ersten Gesandten, die zur Befreiung Europas eintrafen, manchmal vor allen anderen, die Kunstexperten kamen, deren Aufgabe es war, die Geheimverstecke ausfindig zu machen, die Kunstwerke zu sichern und zu restaurieren und zu protokollieren, den Prozess der Rueckgabe an die rechtmaessigen Besitzer in Gang zu bringen.
Obwohl die Salzbergwerke zum Schluss doch nicht wie geplant von Innen gesprengt wurden, stellt es sich in der nachfolgenden Verwirrung als Schwierig heraus, festzustellen, was der eigentliche Inhalt der Lagerkammern gewesen war.
Als die Transit Bar im Offenen Kulturhaus in Linz installiert und ein Treffpunkt fuer die im oberen Stockwerk austellenden KuenstlerInnen wurde, gingen die Gespraeche manchmal um die unbeantworteten Fragen in Bezug auf die fehlenden Kunstwerke. Nach und nach tauchten dann Stammgaeste der Bar mit Listen, Fotos, Berichten auf, die sie irgendwie entdeckt hatten, die sich oft gegenseitig widerlegten. Und sie versuchten, das zu tun, was Ihresgleichen schon vor 50 Jahren versucht hatten: Festzustellen, welche fuer das Führermuseum bestimmten Werke urspruenglich in Altaussee gelagert wurden und welche auf irgendeine Art und Weise verschwanden.
In einer ausgedehnten Atmosphaere des Nichtwissens, kommt es leicht vor, dass die Gespraeche sich allmaehlich um bestimmte Werke drehen, ob fuer Linz bestimmt oder nicht, und jemand sagt, "Die fehlenden Canalettos haben mich schon immer beschaeftigt." Oder eine andere schuettelt den Kopf und bedauert das Verschwinden eines gewissen, nur namentlich bekannten Courbet, von dem niemand sich erinnern kann, das Bild jemals gesehen zu haben. Eine Frau hat das Gefuehl, sie kann die verlorene Entwurfzeichnung eines Tintoretto-Gemaelde, das nur in Photographien erhalten wurde, fast sehen. Ein neu zum Tisch Gekommener betont die allgemeine Natur des Verlustes an sich und hat keine besondere Sehnsucht nach der Wiederentdeckung dieses oder jenes Bildes. "Es ist alles verrueckt," sagt er, "Damals genauso wie jetzt."
Doch nacheinander fuehlen sich die KuenstlerInnen von bestimmten Werken angezogen, und ein Plan entsteht, wie von selbst, diese Werke zu rekonstruieren.
Es wuerden aber keine gewoehnlichen, nachahmenden Rekonstruktionen sein. Nein, das waere gar nicht reizvoll. Der Plan, der sich entwickelte, war, persoenliche visuellen Verbindungen zwischen der gegenwaertigen Atelierpraxis und bestimmten verlorenen Werken zu verwirklichen; eine Geste.
Die Transit Bar ist jetzt weg. Eine andere Einrichtung wurde im alten Kellerraum vor ein paar Wochen installiert. Jetzt ist es wieder ein vegetarisches Restaurant - guenstig und mit einem lauten Publikum an den Wochenenden. Doch in den Raeumen, Treppenhaeusern und Gaengen oben und unten setzt sich ein stetiges Tun fort.
Manche KuenstlerInnen arbeiten anonym und haben gebeten, dass ihre Privatsphaere
beachtet wird. Andere haben sich bereit erklaert, die ZuschauerInnen am
Untersuchungsprozess teilhaben zu lassen, und sind nun hier dabei:
Joanna Jones, Alice Mansell, Mickey Meads, Bernie Miller, Piotr Nathan,
Jeanne Randolph, Daniel Olson.
Die Arbeitsbereiche der
KuenstlerInnen koennen Sie ueber deren bevorzugten Stammtisch
in der Bar erreichen.
Eine Einladung:
Berichte ueber die Auswirkungen der Kunstraubpraktiken im Dritten
Reich widersprechen sich. Manche, schon fuer immer verloren geglaubte Werke
tauchen gelegentlich in den weltbesten Museen und Versteigerungshaeusern auf.
Wenn die Unterscheidung schwierig ist, zwischen dem, was tatsaechlich verloren ist,
und dem, was lediglich verborgen war, zwischen dem, was gestohlen wurde, und dem,
was irgendwie unter einem anderen Namen oder einer anderen Zuordnung in oeffentliche
oder private Sammlungen hineingewandert ist, wird sich die Bedeutung dieser Abwesenheit
immer wieder verschieben. Wenn Sie sich fuer diese Anliegen interessieren und zu der
Diskussion mit Worten oder mit Bildern beitragen moechten, senden Sie uns eine
Mitteilung an: artworks@yorku.ca.
Die Transit Bar wurde zunaechst 1992 in Kassel gebaut und 1994 in
Toronto wieder aufgebaut. Zwischen diesen zwei Veranstaltungen
bildete die Bar einen Ausgangspunkt fuer Body Missing, die von Vera
Frenkel initiierten Nachforschungen in den Geschehnissen um das
geplante Hitlermuseum in Linz.